
BFSG-Readyness-Check 2025: Was 1.000 TYPO3-Websites über den Stand der digitalen Barrierefreiheit in Deutschland verraten
Das Wichtigste für Eilige
Der barrierefreie Zugang zu Informationen und Diensten im Internet ist kein Nischenthema mehr. Spätestens mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ab dem 28. Juni 2025. Barrierefreiheit ist ein elementarer Faktor für unternehmerischen Erfolg, eine inklusive Gesellschaft und eine positive Nutzer:innenerfahrung für alle Besucher:innen einer Website. Doch wie steht es wirklich um die Zugänglichkeit deutscher Webauftritte? Wir haben es untersucht.
Die Studie: 1.000 TYPO3-Websites im Härtetest
Um diese Frage zu beleuchten, wurden 1.000 Websites, die mit dem weit verbreiteten Content-Management-System TYPO3 erstellt wurden, einem etablierten Barrierefreiheits-Audit unterzogen. Als eines der führenden Systeme für professionelle Webauftritte in Deutschland liefert diese Auswahl Einblicke in den aktuellen Stand der digitalen Zugänglichkeit in Deutschland. Die Untersuchung analysierte sowohl spezifische Fehlerkategorien als auch den von dem Prüftool Lighthouse vergebenen Gesamt-Accessibility-Score für jede Startseite. Die Ergebnisse zeigen, wo die größten Herausforderungen und Potenziale liegen – Erkenntnisse, die oft auch über TYPO3-Installationen hinaus Relevanz besitzen.
Alarmierende Ergebnisse: Gravierende Mängel sind weit verbreitet
Die Untersuchung der Websites offenbart deutliche Defizite. Der durchschnittliche Lighthouse Accessibility Score liegt nur bei 85 von 100. Das hört sich zunächst nicht dramatisch an, aber betrachtet man die untersuchten Fehlerkategorien, weisen über 80% der Sites Mängel im Bereich „Beschriftungen und Anweisungen“, fast 75% bei der „Farbverständlichkeit“ und über zwei Drittel bei der „Einfachen Navigation“ auf.
Die Analyse der spezifischen Fehler zeigt, dass selbst Websites mit einem scheinbar guten Gesamtscore kritische Barrieren aufweisen. Ein Großteil der analysierten Websites weist erhebliche Mängel auf, die Nutzende behindern und Unternehmen Geschäftschancen kosten. Besonders auffällig sind:
- Mangelnde Lesbarkeit durch schlechte Farbkontraste: Für fast drei Viertel (74,6%) der untersuchten TYPO3-Websites sind Texte und wichtige Elemente aufgrund unzureichender Kontraste schwer oder gar nicht lesbar.
- Verwirrende Navigation durch unklare Links: Über zwei Drittel der analysierten Websites (68,7%) versäumen es, Links klar und verständlich zu benennen. Nutzende wissen oft nicht, wohin ein Klick sie führt, was zu Frustration und Absprüngen führt.
- Strukturdefizite durch fehlerhafte Überschriftenhierarchie: Fast die Hälfte der Sites (47,0%) weist eine unlogische oder fehlerhafte Überschriftenstruktur auf. Dies erschwert das schnelle Erfassen von Inhalten und die Navigation, insbesondere für Menschen, die auf Hilfstechnologien angewiesen sind.
Diese und weitere Mängel, die auf den untersuchten TYPO3-Websites festgestellt wurden, verhindern nicht nur eine gleichberechtigte Teilhabe, sondern führen auch zu einer schlechteren Nutzer:innen-Erfahrung insgesamt und ungenutztem Geschäftspotenzial.
Lichtblicke und Potenziale
Trotz der deutlichen Kritikpunkte zeigt die Untersuchung auch, dass in bestimmten technischen Bereichen der Barrierefreiheit auf den analysierten TYPO3-Websites bereits gute Arbeit geleistet wird. Viele meistern beispielsweise die Implementierung von Sprunglinks oder die Vermeidung von Fokusfallen. Dies zeigt, dass Barrierefreiheit erreichbar ist und Content-Management-Systeme (CMS) wie TYPO3 die technischen Voraussetzungen dafür oft mitbringen, wenn das Bewusstsein und das Know-how vorhanden sind.

Der mäßige Zustand der untersuchten Websites so kurz vor dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes macht deutlich, dass wohl deutschlandweit ein erheblicher Nachholbedarf bei der digitalen Barrierefreiheit besteht. Unternehmen müssen jetzt handeln, um Barrieren abzubauen und das volle Potenzial des Webs für alle zu erschließen.

Detaillierte Analyse
Einleitung
Barrierefreiheit von Webangeboten ist nicht länger nur ein ethisches Ideal oder ein Merkmal besonders nutzer:innenorientierter Websites, sondern entwickelt sich zu einem entscheidenden Faktor für unternehmerischen Erfolg und gesellschaftliche Teilhabe. Mit dem bevorstehenden Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) für neue Produkte und Dienstleistungen ab dem 28. Juni 2025 rückt das Thema zudem verstärkt in den rechtlichen und wirtschaftlichen Fokus vieler Unternehmen.
Diese Studie liefert eine fundierte Bestandsaufnahme der digitalen Barrierefreiheit in Deutschland, basierend auf der detaillierten Analyse von 1.000 Startseiten von Websites, die mit dem weit verbreiteten Content-Management-System TYPO3 erstellt wurden. Untersucht wurden sowohl spezifische technische Barrieren als auch die allgemeinen Lighthouse Accessibility Scores der Seiten. Die Ergebnisse sind nicht nur für Betreiber:innen von TYPO3-Websites aufschlussreich, sondern bieten branchenübergreifend wertvolle Erkenntnisse darüber:
- Wo die größten Hürden für Nutzende liegen: Die Untersuchung deckt auf, welche Barrierefreiheits-Aspekte am häufigsten vernachlässigt werden und somit das Nutzer:innen-Erlebnis für Millionen von Menschen einschränken können.
- Welche Potenziale ungenutzt bleiben: Eine zugänglichere Website bedeutet oft auch eine bessere Auffindbarkeit in Suchmaschinen, eine höhere Nutzer:innen-Zufriedenheit und die Erschließung neuer Kundengruppen – Chancen, die viele Unternehmen noch nicht ausschöpfen.
- Wie der aktuelle Stand im Hinblick auf neue gesetzliche Anforderungen wie das BFSG zu bewerten ist: Die Datenlage hilft, den Handlungsbedarf zu erkennen, der sich aus den kommenden gesetzlichen Verpflichtungen für viele Online-Anbieter ergibt.
- Welche konkreten Ansatzpunkte für Verbesserungen bestehen: Die identifizierten Schwachstellen dienen als Grundlage für gezielte Optimierungsmaßnahmen, um Webangebote inklusiver und damit auch erfolgreicher zu gestalten.
Die folgenden Analysen und Ergebnisse bieten somit eine wichtige Orientierung für Website-Betreiber:innen, Marketing-Verantwortliche, Entwickler:innen und alle, die digitale Angebote gestalten und optimieren möchten. Sie zeigen, dass Investitionen in Barrierefreiheit nicht nur eine Antwort auf regulatorische Entwicklungen sind, sondern eine strategische Entscheidung für mehr Reichweite, eine bessere User Experience und eine stärkere, zukunftsorientierte Markenpositionierung.
Methodik der Untersuchung
Um ein aussagekräftiges Bild über den Stand der digitalen Barrierefreiheit zu gewinnen, wurde ein strukturierter Ansatz zur Datenerhebung und -analyse gewählt. Im Folgenden werden die zentralen methodischen Schritte dieser Studie erläutert.
Datengrundlage: Auswahl der untersuchten Websites
Grundlage der vorliegenden Untersuchung bildet eine Stichprobe von 1.000 Startseiten. Diese Websites wurden ausgewählt, da sie alle mit dem Content-Management-System (CMS) TYPO3 realisiert wurden. TYPO3 ist eines der führenden und meistgenutzten Systeme für professionelle und umfangreiche Webauftritte im deutschsprachigen Raum. Die Fokussierung auf mit diesem CMS erstellte Websites ermöglicht somit valide Aussagen über einen bedeutenden Sektor der Website-Landschaft und stellt auf technologischer Basis einen gute Vergleichsbasis dar. Die Analyse konzentrierte sich bewusst auf die Startseiten, da diese in der Regel den ersten und wichtigsten Eindruck eines Webangebots vermitteln und eine hohe Besucher:innen-Frequenz aufweisen.
Durchführung der Tests: Einsatz von automatisierten Lighthouse-Audits
Zur Überprüfung der Barrierefreiheit wurde das weit verbreitete Open-Source-Tool Lighthouse eingesetzt. Lighthouse, entwickelt von Google, ist ein automatisiertes Werkzeug zur Verbesserung der Qualität von Websites. Es führt eine Reihe von Audits durch, um die Leistung, Progressive Web App-Fähigkeiten, Best Practices, SEO und insbesondere die Barrierefreiheit (Accessibility) einer Seite zu bewerten. Für diese Studie wurden die spezifischen Barrierefreiheits-Audits von Lighthouse auf jeder der 1.000 ausgewählten Startseiten ausgeführt. Zusätzlich wurde der von Lighthouse vergebene Gesamt-Accessibility-Score (auf einer Skala von 0 bis 100) für jede Startseite erfasst. Diese automatisierten Tests können eine Vielzahl häufig auftretender technischer Barrieren identifizieren und einen allgemeinen Indikator für die maschinell geprüfte Zugänglichkeit liefern, der die Nutzung einer Website für Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen erschweren oder unmöglich machen kann.
Auswertungskategorien: Strukturierung der Ergebnisse
Die detaillierten technischen Prüfergebnisse der einzelnen Lighthouse-Audits wurden zur besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit in sieben übergeordnete Kategorien zusammengefasst. Diese Kategorien spiegeln zentrale Aspekte der digitalen Barrierefreiheit wider und helfen, die komplexen Daten thematisch zu bündeln:
- Einfache Navigation
- Unterstützung für Screenreader
- Beschriftungen und Anweisungen
- Farbverständlichkeit
- Struktur des Inhalts
- Sprachverständlichkeit
- Barrierefreiheit von Bildern
Diese thematische Gruppierung erleichtert es, Schwerpunkte und Muster in den Ergebnissen zu erkennen.
Grenzen der Methodik
Es ist wichtig zu betonen, dass automatisierte Tests wie die von Lighthouse durchgeführten Audits – einschließlich des Gesamt-Scores – eine wertvolle erste Einschätzung liefern, jedoch nicht alle vollumfänglichen Aspekte der Barrierefreiheit abdecken können. Bestimmte Kriterien, insbesondere solche, die eine kontextuelle oder kognitive Bewertung erfordern, können nur durch manuelle Tests durch erfahrene Expert:innen zuverlässig geprüft werden. Ein hoher Gesamt-Score bedeutet daher nicht zwangsläufig, dass eine Website vollständig barrierefrei ist, ebenso wie ein niedriger Score spezifische, leicht behebbare Probleme widerspiegeln kann.
Die Ergebnisse dieser Studie bieten daher einen umfassenden Überblick über technisch messbare Barrieren und einen allgemeinen Indikator durch die Gesamt-Scores, erheben aber keinen Anspruch auf eine vollständige Erfassung aller potenziellen Zugänglichkeitsprobleme. Die Konzentration auf Startseiten liefert zudem einen wichtigen Indikator, kann aber nicht pauschal auf alle Unterseiten eines Webangebots übertragen werden.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Am 28. Juni 2025 tritt in Deutschland eine neue gesetzliche Regelung in Kraft, die weitreichende Auswirkungen auf viele digitale Angebote von Unternehmen haben wird: das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Für viele Wirtschaftsakteure, insbesondere solche, die Produkte und Dienstleistungen für Verbraucher anbieten, ist es höchste Zeit, sich mit den Anforderungen dieses Gesetzes vertraut zu machen. Doch was genau verbirgt sich dahinter und wen betrifft es?
Was ist das Ziel des BFSG und wen betrifft es?
Das Hauptziel des BFSG ist, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu fördern. Es setzt den sogenannten European Accessibility Act (EAA), eine EU-Richtlinie, in nationales deutsches Recht um. Konkret bedeutet dies, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 auf den Markt kommen oder erbracht werden, barrierefrei gestaltet sein müssen.
Das Gesetz richtet sich an sogenannte "Wirtschaftsakteure". Das sind in erster Linie Hersteller, Händler, Importeure und Dienstleistungserbringer. Entscheidend ist, ob die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.
Das BFSG erfasst eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen des täglichen Lebens. Dazu gehören Digitale Produkte, wie Computerhardware, Smartphones und Bezahlterminals als auch Digitale Dienstleistungen zu denen eben auch Websites und mobile Anwendungen (Apps) von Unternehmen im E-Commerce (also Online-Shops und Plattformen, die Verträge mit Verbrauchern abschließen) zuzuordnen sind.:
Wichtig für viele Unternehmen: Insbesondere die Anforderung an Websites und mobile Anwendungen im E-Commerce wird eine große Zahl von Online-Anbietern betreffen.
Welche Ausnahmen gibt es?
Das Gesetz sieht bestimmte Ausnahmen vor. So sind beispielsweise Kleinstunternehmen (weniger als 10 Beschäftigte und Jahresumsatz/Jahresbilanz von höchstens 2 Mio. Euro), die Dienstleistungen erbringen, von einigen Verpflichtungen ausgenommen, sofern sie nicht Produkte im Anwendungsbereich herstellen, handeln oder importieren. Auch wenn die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würde, können unter strengen Voraussetzungen Ausnahmen geltend gemacht werden. Diese müssen jedoch gut dokumentiert und begründet werden.
Was passiert bei Nichtbeachtung?
Das BFSG sieht Marktüberwachungsmaßnahmen vor. Zuständige Behörden können die Einhaltung der Anforderungen überprüfen. Bei Verstößen können Maßnahmen wie die Aufforderung zur Herstellung des barrierefreien Zustands, ein Vertriebsverbot oder auch Bußgelder verhängt werden. Zudem können auch Wettbewerbsverbände oder Verbraucherschutzorganisationen bei Verstößen aktiv werden.
Ergebnisse
Die Daten, sowohl die Gesamt-Accessibility-Scores als auch die spezifischen Fehlerzahlen, zeichnen ein klares Bild davon, welche Aspekte der digitalen Zugänglichkeit die größten Herausforderungen darstellen und wo dringender Handlungsbedarf besteht.
Wie zugänglich sind die Startseiten im Durchschnitt?
Der von Lighthouse vergebene Gesamt-Accessibility-Score (auf einer Skala von 0 bis 100) liefert einen Indikator für die allgemeine, maschinell bewertete Zugänglichkeit jeder einzelnen Startseite. Die Betrachtung der Verteilung dieser Scores über die 1.000 untersuchten Websites gibt Aufschluss über das allgemeine Leistungsniveau.
Der Durchschnitts-Accessibility-Score aller 1.000 untersuchten Startseiten liegt bei 85. Während einige Websites mit Scores von 100 eine sehr gute maschinelle Bewertung erreichen, liegen andere deutlich darunter, bis hin zu einem Score von 47.
Die Verteilung der Scores zeigt, dass nur ein Teil der untersuchten Websites einen hohen Barrierefreiheitsgrad im Test erreicht. Ein signifikanter Anteil weist Mängel auf, die sich im Gesamt-Score niederschlagen. Andererseits können Websites mit moderaten Scores oft schon mit der Behebung der häufigsten spezifischen Fehler (siehe 4.3) deutliche Verbesserungen erzielen.
Das Gesamtbild nach Kategorien
Betrachtet man die Studienergebnisse auf einer aggregierten Ebenein den sieben definierten Kategorien, zeigt sich deutlich, in welchen übergeordneten Problemfeldern Barrieren am weitesten verbreitet sind. Die nachfolgende Übersicht stellt dar, welcher Prozentsatz der untersuchten 1.000 Startseiten von Mängeln in der jeweiligen Kategorie betroffen ist:
Die Analyse nach Kategorien macht deutlich, dass insbesondere in drei Bereichen ein sehr hoher Anteil der untersuchten Websites von Barrieren betroffen ist: „Beschriftungen und Anweisungen“ (80,1%, z.B. Namen für Links und Buttons), „Farbverständlichkeit“ (74,6%, z.B. unzureichende Farbkontraste) und „Einfache Navigation“ (68,8%, z.B. Reihenfolge der Überschriften). Diese Kategorien umfassen zentrale Aspekte der Nutzer:innen-Interaktion und visuellen Wahrnehmung. Während die restlichen Kategorien signifikant niedrigere Betroffenheitsgrade aufweisen, zeigen die detaillierten Fehlerzahlen (siehe folgende Abschnitte), dass auch dort teils schwerwiegende Probleme existieren können, auch wenn sie weniger flächendeckend sind.
Die „Problemzonen“ im Detail
Im Folgenden werden die auffälligsten Fehlerbilder detaillierter betrachtet, um die Auswirkungen auf die Nutzer:innen-Erfahrung zu verdeutlichen.


Farbverständlichkeit: Wenn Inhalte unsichtbar werden
Mit Abstand das größte und am weitesten verbreitete Problem ist der unzureichende Farbkontrast (color-contrast). Auf fast drei Vierteln (74,6%) der untersuchten Startseiten wurden hier Mängel festgestellt. Dies bedeutet, dass Texte oft nur schwer oder gar nicht von ihrem Hintergrund zu unterscheiden sind, was die Lesbarkeit nicht nur für Menschen mit Sehbehinderungen, sondern für alle Nutzenden massiv einschränkt. Die hohe Gesamtzahl von 17.536 Fehlern deutet darauf hin, dass dieses Problem auf den betroffenen Seiten oft an vielen Stellen gleichzeitig auftritt.
Beschriftungen und Anweisungen: Die Irrfahrt durch unklare Interaktionselemente
Ein weiteres gravierendes Feld sind mangelhafte Beschriftungen, insbesondere bei Links und Schaltflächen:
- Namen für Links (link-name): Auf 68,7% der Seiten fehlen aussagekräftige Linktexte. Nutzenden können so oft nicht erkennen, wohin ein Link führt, bevor sie ihn anklicken. Generische Formulierungen wie "Hier klicken" oder "Mehr erfahren" ohne Kontext sind hier typische Fehlerquellen.
- Namen für Schaltflächen (button-name): Ähnlich verhält es sich bei Schaltflächen, wo 22,9% der Seiten Mängel aufweisen. Unklare oder fehlende Beschriftungen von Buttons (z.B. reine Icon-Buttons ohne Textalternative) machen wichtige Aktionen wie "Senden", "Kaufen" oder "Anmelden" schwer identifizierbar.
- Beschriftungen für Formularfelder (label): Bei 12,8% der Seiten sind Formularfelder nicht korrekt mit sichtbaren Beschriftungen verknüpft, was das Ausfüllen von Formularen erschwert.
Einfache Navigation: Wenn die Struktur fehlt und mobile Bedienung leidet
Die intuitive Navigation wird durch mehrere verbreitete Fehler erschwert:
- Reihenfolge der Überschriften (heading-order): Auf 47,0% der Seiten ist die logische Hierarchie der Überschriften (H1, H2, H3 etc.) nicht korrekt umgesetzt. Dies beeinträchtigt die Strukturierung von Inhalten und die Navigation für Nutzende von Screenreadern erheblich.
- Größe und Abstand interaktiver Elemente (target-size): Bei 23,1% der Seiten sind Klickflächen (Buttons, Links) zu klein oder zu eng beieinander platziert. Dies ist besonders auf mobilen Geräten ein Problem ("Fat-Finger-Syndrom") und führt zu Fehlbedienungen. Die extrem hohe Gesamtzahl von 5.840 Fehlern zeigt, dass dies oft systematisch auf den betroffenen Seiten falsch gemacht wird.
- Zoomen/Skalieren auf Mobilgeräten (meta-viewport): 22,6% der Seiten verhindern oder erschweren das Zoomen auf Mobilgeräten, was die Lesbarkeit kleinerer Texte oder Details stark einschränkt.
Barrierefreiheit von Bildern: Fehlende Beschreibungen
Textalternativen für Bilder (image-alt) fehlen auf 21,3% der untersuchten Startseiten. Ohne diese Alternativtexte bleiben die Inhalte von Bildern für sehbehinderte Menschen, die Screenreader nutzen, sowie für Suchmaschinen unsichtbar. Der Wert wurde durchaus höher erwartet. Allerdings ist im CMS TYPO3 die Verwendung von Alt-Attributen mittlerweile so fest verankert, dass der Wert relativ gesehen eher niedrig ausfällt.
Unterstützung für Screenreader: Die ARIA-Fallstricke
Obwohl 99,2% der untersuchten Websites das ARIA-Framework (Accessible Rich Internet Applications), das die Zugänglichkeit komplexer Webanwendungen zu verbessern soll, bereits nutzen, zeigen die Daten, dass hier oft Fehler in der Implementierung auftreten:
- ARIA-Kindelemente (aria-required-children): 7,7% der Seiten weisen Fehler bei erforderlichen Kindelementen von ARIA-Rollen auf.
- ARIA-Formularfelder (aria-input-field-name): Bei 8,5% der Seiten fehlen zugängliche Namen für ARIA-basierte Formularfelder.
- Tastaturfokus auf versteckten Elementen (aria-hidden-focus): Ein seltener, aber gravierender Fehler (2,6% der Sites betroffen, aber mit 344 Gesamtfehlern): Der Tastaturfokus landet auf Elementen, die eigentlich für Screenreader versteckt sein sollten, was zu großer Verwirrung führt.
Weitere nennenswerte Problemfelder
Auch in anderen Kategorien gibt es Auffälligkeiten, wenn auch mit geringeren Prozentzahlen betroffener Seiten:
- Struktur des Inhalts: Fehler bei der korrekten Struktur von Listen (list mit 6,3% und listitem mit 5,2%) sind verbreitet.
- Sprachverständlichkeit: Die Deklaration der Hauptsprache einer Website (html-has-lang) fehlt bei 3,3% der Seiten.
Unerwartete Stärken: Bereiche mit geringer Fehlerquote
Es ist auch wichtig festzuhalten, dass es Bereiche gibt, in denen die untersuchten TYPO3-Startseiten fehlerfrei abschneiden. Dazu gehören beispielsweise:
- bypass (Sprunglink zum Hauptinhalt)
- aria-hidden-body (Hauptinhalt nicht versteckt)
- empty-heading (Keine leeren Überschriften)
- meta-refresh (Vermeidung von automatischem Neuladen)
Diese positiven Beispiele zeigen, dass die Umsetzung von Barrierefreiheitsanforderungen durchaus gelingen kann und bestimmte Standards bereits gut etabliert sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die größten Baustellen im Bereich der grundlegenden Lesbarkeit (Kontraste), der klaren Nutzer:innenführung (Links, Buttons, Formularbeschriftungen) und der strukturellen Aufbereitung von Inhalten (Überschriften) liegen. Gerade diese Aspekte haben jedoch einen direkten und massiven Einfluss auf die allgemeine Nutzbarkeit und Zugänglichkeit einer Website für alle Besuchenden.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Die Studienergebnisse unterstreichen den dringenden Handlungsbedarf im Bereich der digitalen Barrierefreiheit. Angesichts der ab Juni 2025 geltenden Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) ist aktives Handeln für Unternehmen nun entscheidend. Die folgenden Empfehlungen bieten einee erste Orientierung, um Webangebote zugänglicher und gesetzeskonform zu gestalten.
Sofortmaßnahmen und Quick Wins: Typische Fehler aktiv vermeiden
Viele der in dieser Studie identifizierten Barrieren, insbesondere Fehler wie mangelnde Kontraste oder unklare Linktexte, lassen sich bereits mit gezielten Maßnahmen und einem geschärften Bewusstsein im täglichen Redaktions- und Entwicklungsprozess angehen. Diese "Quick Wins" erfordern oft keinen großen technischen Aufwand, haben aber einen direkten positiven Einfluss auf die Zugänglichkeit und Nutzer:innenfreundlichkeit:
- Kontraste im Blick behalten
- Aussagekräftige Links und Buttons
- Bilder mit Sinn versehen (Alt-Texte)
- Struktur durch Überschriften
- Mobile Bedienbarkeit sicherstellen
Die konsequente Anwendung einfacher Regeln in diesen Bereichen kann bereits viele der häufigsten Barrieren auf Ihrer Website beseitigen.
Barrierefreiheit ist dabei kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess der Qualitätssicherung, der regelmäßige Checks erfordert, um dauerhaft zugänglich zu bleiben:
- Regelmäßige automatisierte Scans
- Ergänzende manuelle Tests
- Aktives Einholen von Nutzer:innenfeedback
Durch die Integration dieser Schritte in die laufende Pflege Ihrer Website kann sichergestellt werden, dass neue Barrieren frühzeitig erkannt und behoben werden.
Ein erster Schritt zur Orientierung: Der Kickstarter Barrierefreiheits-Check
Die Erfüllung der Anforderungen des BFSG erfordert eine systematische Vorgehensweise. Als erster Schritt zur Orientierung empfiehlt sich oft ein pragmatischer Barrierefreiheits-Check. Dieser ist darauf ausgelegt, schnell und effizient einen Überblick über die kritischsten Mängel auf den wichtigsten Seiten (wie z.B. der Startseite und zentralen Nutzer:innenpfaden) zu gewinnen.
Ein solcher Check liefert eine fundierte Basis, um die dringendsten Mängel, die oft eine große Auswirkung haben, zu erkennen und anzugehen. Er dient als Grundlage für zielgerichtete Verbesserungen und hilft Unternehmen, den Umfang des Handlungsbedarfs besser einzuschätzen.
Während dieser pragmatische Barrierefreiheits-Check eine wertvolle erste Orientierung und einen Startpunkt für schnelle Verbesserungen bietet, ist für die vollständige Erfüllung der BFSG-Anforderungen und eine umfassende Sicherstellung der Barrierefreiheit die Durchführung eines detaillierten Barrierefreiheits-Audits unerlässlich. Dieses geht deutlich über automatisierte Prüfungen hinaus und betrachtet die Website ganzheitlich im Hinblick auf alle relevanten Kriterien und Normen (wie EN 301 549 / WCAG).
Barrierefreiheit als strategische Chance begreifen
Die Anforderungen des BFSG und das generelle Streben nach digitaler Inklusion sollten von Unternehmen nicht primär als regulatorische Pflicht, sondern als strategische Chance verstanden werden. Eine barrierefreie Online-Präsenz:
- Erschließt neue Kundengruppen und erweitert die Marktreichweite.
- Verbessert die allgemeine User Experience, da viele Barrierefreiheitsaspekte allen Nutzenden zugutekommen.
- Stärkt das Markenimage durch Demonstration von Verantwortung und Kundenorientierung.
- Kann positive Auswirkungen auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO) haben, da sich viele Kriterien überschneiden.
Die Investition in digitale Barrierefreiheit ist somit eine Investition in die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema und die professionelle Umsetzung entsprechender Maßnahmen sind daher dringend zu empfehlen. Bei komplexen Anforderungen oder fehlendem internen Know-how ist die Zusammenarbeit mit spezialisierten Agenturen oder Beratern ein sinnvoller Schritt, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und das volle Potenzial einer zugänglichen Online-Präsenz auszuschöpfen.
Fazit & Ausblick – Digitale Barrierefreiheit als kontinuierliche Aufgabe und Zukunfts-Chance
Die vorliegende Studie, basierend auf der Analyse von 1.000 TYPO3-Startseiten, hat ein deutliches Bild des aktuellen Stands der digitalen Barrierefreiheit gezeichnet. Die zentralen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Ein differenziertes Bild der Zugänglichkeit: Die Analyse zeigt, dass trotz einer Bandbreite bei den ermittelten Lighthouse Gesamt-Accessibility-Scores ein Großteil der untersuchten Webangebote signifikante, oft grundlegende Barrieren aufweist, die die Nutzung für Menschen mit Einschränkungen erschweren oder unmöglich machen. Insbesondere grundlegende Aspekte wie unzureichende Farbkontraste (74,6% der Sites betroffen), unklare Linkbenennungen (68,7%) und eine fehlerhafte Überschriftenhierarchie (47,0%) stellen massive Hürden dar.
- Verpasste Potenziale: Diese Mängel führen nicht nur zu einer Ausgrenzung bestimmter Nutzer:innen-Gruppen, sondern bedeuten für Unternehmen auch verpasste Geschäftschancen, eine suboptimale User Experience für alle Besuchenden und potenzielle Risiken im Hinblick auf rechtliche Anforderungen.
- Positive Ansätze sind vorhanden: Trotz der gravierenden Mängel gibt es auch Bereiche, in denen viele Websites bereits gute Standards umsetzen. Dies zeigt, dass Barrierefreiheit mit dem entsprechenden Wissen und Fokus erreichbar ist.
- Das BFSG erhöht den Handlungsdruck: Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes im Juni 2025 werden klare rechtliche Verpflichtungen für viele Unternehmen wirksam. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass für zahlreiche Anbieter ein erheblicher Nachholbedarf besteht, um diese Anforderungen zu erfüllen.
Dringlichkeit des Handelns: Mehr als nur eine gesetzliche Pflicht
Die Ergebnisse dieser Untersuchung unterstreichen die Dringlichkeit, das Thema digitale Barrierefreiheit mit hoher Priorität anzugehen. Es geht dabei um weit mehr als die bloße Erfüllung gesetzlicher Vorgaben. Eine barrierefreie digitale Präsenz ist ein Ausdruck von Professionalität, Kundenorientierung und gesellschaftlicher Verantwortung. Sie ist ein entscheidender Faktor für eine inklusive digitale Gesellschaft und ein Wettbewerbsvorteil in einem Markt, in dem Nutzer:innenerfahrung und Zugänglichkeit immer wichtiger werden. Unternehmen, die jetzt nicht handeln, riskieren nicht nur mögliche Sanktionen, sondern vor allem den Verlust von Kunden, Reputation und Relevanz.
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich Barrierefreiheit
Die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit wird in Zukunft weiter zunehmen. Mehrere Trends deuten darauf hin:
- Technologische Fortschritte: Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen könnten zukünftig sowohl bei der Erstellung barrierefreier Inhalte als auch bei der Entwicklung assistiver Technologien eine größere Rolle spielen. Gleichzeitig entstehen durch neue Technologien (z.B. VR/AR) auch neue Herausforderungen für die Zugänglichkeit.
- Steigendes Nutzer:innenbewusstsein: Nutzende werden zunehmend sensibler für die Qualität und Zugänglichkeit digitaler Angebote. Barrierefreiheit wird immer mehr zu einem erwarteten Standard.
- Fortlaufende Standardisierung und Gesetzgebung: Es ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit international und national weiterentwickelt und präzisiert werden. Der European Accessibility Act (EAA) ist hier nur ein Schritt auf einem längeren Weg.
- Integration in Unternehmensprozesse: Barrierefreiheit wird sich stärker von einem reinen Compliance-Thema zu einem integralen Bestandteil von Design-Thinking, agiler Entwicklung und Qualitätsmanagement entwickeln ("Accessibility by Design").
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